Menschliches Gehirn und Komplexität: „Weniger vernetzte Gehirne sind intelligenter“
Artikel vom 01.06.2018„Unser Leben hat eine Komplexität erreicht wie nie zuvor in der Geschichte. Und unsere Steinzeitgehirne verlieren die Orientierung. Dabei lernen wir diese Gehirne heute gerade erst kennen“ (Richard David Precht). Nach einer aktuellen Studie sind die Neurowissenschftler Erhan Genç und Christoph Fraenz von der Ruhr-Universität Bochum offenbar bereits tiefer in die Geheimnisse der menschlichen Gehirne eingedrungen. Ihre Erkenntnisse aus Experimenten mit einer besonderen Form der Magnetresonanztomografie: „Intelligente Gehirne zeichnen sich durch eine schlanke, effiziente Vernetzung ihrer Neuronen aus. Je weniger vernetzt die Nervenzellen in der Großhirnrinde sind, desto intelligenter ist der Mensch (Zeitschrift „Nature Communications“, zitiert 16.5.2018 Hamburger Abendblatt / 2018 Zeitungsgruppe Hamburg GmbH).
Uns drängt es, diese neuen Erkenntnisse mit der ständig wachsenden Komplexität in der modernen Welt in Verbindung zu bringen. In allen Bereichen menschlicher Gesellschaft – Politik, Wirtschaft, Kultur, Technik, Informationswesen u. a. – wird der Umgang mit Komplexität zur Kernaufgabe. Bewusste Steuerungen und Einflussnahmen scheitern. Es zeigen sich ungewollte Ergebnisse, Fehler und mangelhafte Effizienz.
Die Komplexität eines Systems ist gekennzeichnet durch die Anzahl seiner Elemente und der Vielzahl ihrer Verbindungen untereinander. Ein System ist also um so komplexer, je mehr Elemente es aufweist und je größer die Zahl der Beziehungen zwischen diesen Elementen ist.
Das Verblüffende dieser neuen Forschungsergebnisse ist, dass das Gehirn so arbeitet, wie wir es auch im Management bei der Beherrschung komplexer Systeme empfehlen: durch Weglassen und Reduktion. Man hätte ja denken können, das Gehirn ist derart leistungsfähig, dass es eine beliebige Zahl Elemente managen kann und sehr intelligente Menschen dies in besonderem Maße können. Wolf Singer, Direktor des Max-Planck Instituts für Hirnforschung, sprach einmal vom menschlichen Gehirn mit seinen 500 Billionen Verkehrsknotenpunkten als der komplexesten Materie unseres Universums.
Mehr ist nicht immer mehr. Das scheinen diese neuen Forschungsergebnissen wieder einmal zu beweisen. Das Gehirn arbeitet um so besser, wenn es gemäß unseren Prinzipien der Reduktion arbeitet.