Die Vereinigten Staaten von Europa
Artikel vom 26.04.2013So mancher träumt derzeit von den Vereinigten Staaten von Europa. Teils, weil man damit einer scheinbaren Hoffnung nachgeht, so die Euro-Finanzkrise bewältigen zu können. Teils auch, weil manche Politiker, Wissenschaftler und Journalisten sich immer mal wieder ein innovatives Thema suchen. Dieser Traum wird Traum bleiben. Die Realisierung, derzeit zu besichtigen in der Eurozone, kann schnell in einem Albtraum enden.
Ein wesentlicher Irrtum, der diesem Traum zugrunde liegt, ist die fehlende Erkenntnis über die Funktionsfähigkeit komplexer Systeme.
Die Vereinigten Staaten von Europa wären ein System von kaum vorstellbarer Komplexität. Diese Komplexität wäre nicht zu managen. Man würde versuchen, 27 sehr unterschiedliche Staaten (am liebsten noch mehr) mit wiederum unzähligen Untersystemen (Sprachen, Kulturen, Rechtssysteme, Steuersysteme, Bildungssysteme, Geschichte und Kultur und anderes) miteinander zu verbinden. Derartige Systeme sind zum Scheitern verurteilt. Wer etwas von Komplexität und Funktionsweisen von gesellschaftlichen Systemen versteht, weiß das. Das Scheitern des Euros ist ein Beispiel im Großen dafür. Die verspätete Lieferung von Hochgeschwindigkeitszügen von Siemens an den Eurotunnel unter anderem aufgrund des komplizierten Zulassungsprozesses in verschiedenen Ländern ein weiteres.
Systeme wie ein einheitliches Europa, die viele unterschiedliche Elemente miteinander verbinden, teils gewollt, teils krampfhaft erzwungen, teils unwissentlich im Verborgenen, sind zum Scheitern verurteilt. Sie funktionieren nicht, wie man es sich vorgestellt hat. Oft klappen nicht einmal die einfachsten Dinge. Eine solche Komplexität (viele Elemente und viele Verbindungen) lässt keine Aussage über künftige Entwicklungen zu. Alles bleibt ungewiss. Ein Management des Gesamtsystems ist unmöglich.
Ein funktionierendes Europa braucht Autonomie, Eigenständigkeit der Einzelstaaten. Komplexe Systeme werden beherrschbar durch Trennung von Elementen, durch Verzicht auf erträumte so genannte Synergien. Das beherrschende Thema heißt Dezentralisation. Zusammenarbeit und Gemeinsamkeiten sind gewollt, aber nur dann funktionsfähig, wenn man auch nur das Notwendige oder wirklich Sinnvolle zentralisiert. In einem solchen Europa – das zeigen die Beispiele vieler Jahre in der EU – müssen bestimmte rechtliche Themen zentral und einheitlich geregelt werden. Bei anderen Themen wie dem Steuersystem oder der Außenpolitik kann Harmonisierung und damit Zentralisierung, sinnvoll sein. Glühlampen und Gurkenkrümmung gehören sicher nicht dazu.