Institut für Einfachheit

Beratung nach dem Prinzip der konsequenten Einfachheit

Komplexität in dieser Welt: Irrsinn über Irrsinn bei der EU

Artikel vom 08.09.2011

Senioren, Behinderte und ausländische Touristen sollen es künftig leichter haben, Fahrkarten- und Geldautomaten zu bedienen. Die EU-Kommission unterstützt ein Pilotprojekt in Spanien und Deutschland mit 3,4 Millionen Euro. In Deutschland erfolgt ab 1. Januar 2012 an 24 Automaten ein Test in Paderborn. Für 3000 Bürger werden die persönlichen Daten und Bedürfnisse auf Chipkarten gespeichert. Der Automat liest die Informationen und passt seine Einstellungen an (dpa Bericht vom 30. August 2011).

Das riecht geradezu nach immenser Komplexität. Man kann ja alles machen, was möglich ist. Nice to have. Was fällt uns dazu ein?

Zunächst wissen wir aus eigener oft frustrierender Erfahrung um die Schwierigkeiten besonders an den Fahrkartenautomaten. Und da ist es zunächst nicht der Automat an sich, sondern, die dahinter liegende oft hoch komplexe ständig optimierte Preispolitik der Verkehrsbetriebe, Gemeinden und Bundesländer. Vereinfachung könnte zunächst erfolgen durch Vereinheitlichung der Systeme untereinander; denn in Berlin gibt es ganz andere Funktionen und Bedingungen als in Frankfurt und in München. Sodann wäre eine erhebliche Vereinfachung möglich durch Reduktion der Komplexität der einzelnen Preissysteme (weniger Möglichkeiten, Alternativen). Das Wall Street Journal schrieb vor zwanzig Jahren: „Before you automate, eliminate. You will save on everything“.

Und nun auch noch die EU! Sie hat ja weiter nichts zu tun. Kommission, Parlament, Behörden und sogar Ministerrat suchen offenbar ständig nach Beschäftigung. Auf die Idee, dass solche Chipkartenlösungen – wenn sie denn interessant sein sollten – durch die Verkehrsbetriebe und die Banken untersucht werden könnten, kommt man nicht. Die Wirtschaft ist ja zu lahm und muss durch Politiker zur Arbeit angetrieben werden. So erhält also Deutschland als eines der relativ gut zivilisierten Länder dieser Welt Entwicklungshilfe aus Brüssel zur besseren Bedienung von Automaten durch Senioren. Dabei ist für den EU-Bürger zudem noch besonders komplex zu erfahren, durch welchen unübersichtlichen Mechanismus solche Initiativen und Geldverschwendungen überhaupt ermöglicht werden.

Konzentration auf das Wesentliche, der Umgang und die Bewältigung der Komplexität ist für viele in der Wirtschaft, für Politiker aber allemal, ein Fremdwort. Wir brauchen Klarheit und echte Verantwortung im Umgang mit den Themen dieser Welt.