Sind Bonussysteme sinnvoll?
Artikel vom 16.03.2009Dieter Pommerening, Ex-McKinsey-Chef und Aufsichtsratsmitglied verschiedener Unternehmen schreibt am 25.02.2009 in der Financial Times Deutschland über „Vorschläge für ein faires Bonussystem“. Er kritisiert die Exzesse der Bonuszahlungen, hält aber „eine leistungsgerechte Bezahlung für nötig und möglich“. Pommerening beklagt die leidvollen Erfahrungen, wenn trotz Nullleistung Bonuszahlungen fällig wurden. Und jeder, der eine Vertriebsorganisation führt, wisse um die Tricks, „Verkaufserfolge“ für die Jahresendvergütung zu „produzieren“.
Aber sind Bonusvereinbarungen überhaupt sinnvoll? Aufsichtsrat Pommerening behauptet, es gebe „unstrittig das Bedürfnis für angemessene Leistungsanreize neben einer festen Grundentlohnung, nämlich Boni“. Dafür erarbeitet er einen Vorschlag, der auch außerhalb des Bankensektors als Leistungsanreiz für Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte genutzt werden kann. Aktienkurse, Dividendenhöhe oder Belohnungen durch den Aufsichtsrat nach Gutsherrenart seien noch weitverbreitet, aber trotzdem nicht leistungsgerecht und/oder nicht nachvollziehbar. Diese Regelungen gehörten in den Reißwolf.
Die allein maßgebende Leistungsgrundlage für Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte liege in ihrem Erfolg oder Misserfolg, den Unternehmenswert langfristig zu sichern oder zu steigern. Die Kenngröße Economic Value Added (EVA) bedeutet: Unternehmensmehrwert.
Nach Pommerenings System erhalten die Eigentümer (Aktionäre) ein Vorabrecht auf eine rechnerisch zu ermittelnde Verzinsung des von ihnen bereitgestellten Risikokapitals. Zum Beispiel nach der Formel: Zusätzlicher Unternehmenswert gleich Nettogewinn nach Steuern minus Gesamtkapitalkosten. Je nach Branche dürfte die Verzinsung auf das Risikokapital der Eigentümer zwischen 10 und 15 Prozent liegen.
Nur ein individuell auszuhandelnder geringer Teil des erwirtschafteten zusätzlichen Unternehmenswerts, zum Beispiel 10 bis 20 Prozent, sollte als variable Vergütung für die Leistungsträger infrage kommen. Die so erzielten Boni werden auf individuellen Anspruchskonten gebucht, jährlich zugeschrieben oder bei Verlusten entsprechend reduziert. Ausgezahlt wird in festzulegenden Staffeln, aber mit einer ersten Rate frühestens nach drei bis vier Jahren der Laufzeit dieser Regelung. Bonusregelungen sind leistungsfördernd und notwendig.
Hierzu mein Kommentar – aus der Sicht der Einfachheit, aus der Notwendigkeit, die Komplexität zu bewältigen und aus langjähriger eigener Erfahrung mit Bonussystemen und Motivationsfragen:
Uneingeschränkt zuzustimmen ist, das die exorbitanten Bonussysteme verändert werden müssen. Wer viele Millionen im Jahr verdienen will, der muss sich als Unternehmer selbständig machen. Diesen Verdienst sollte er nicht als Angestellter erwarten.
Für absolut falsch und anmaßend aber finde ich das von Dieter Pommerening behauptete „unstrittiges Bedürfnis für angemessene Leistungsanreize“. Das ist sehr wohl strittig, auch wenn die große Mehrheit in der Wirtschaft Bonussysteme liebt. Ich bestreite das Bedürfnis und vor allem den Sinn. Zu empfehlen ist hier auch Reinhard Sprengers „Mythos Motivation“ unter anderem mit dem Gedanken, dass „die Bonus-Praxis in den Unternehmen die Krankheit ist, für deren Heilung sie sich hält.“ Bekannt ist, dass Leistungsanreize in Bereichen mit physischer Arbeit wirken können. Der Schweizer Ökonom Bruno Frey stellt fest (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 15.3.2009), dass es noch nie einen Nachweis gegeben habe, dass Leistungslöhne für Führungskräfte den Unternehmensgewinn oder –wert erhöhen. Je komplexer die Arbeit, desto schwieriger (oder unmöglich) die Messung des Erfolgsbeitrags. Frey will die Boni abschaffen und nur noch gute Fixlöhne zahlen: „Wer Boni zahlt, lockt Leute an, denen es ums Geld geht. Wer feste Gehälter zahlt, lockt Leute an, denen es um die Arbeit geht.“
Nicht überzeugend ist auch das vorgeschlagene komplexe System über die langfristige Verbesserung des Unternehmenswertes. Wer bewertet wie? Die Folge: wieder alle beschäftigen sich mit internen Themen statt mit dem Markt und den Kunden. Von Einfachheit und Komplexitätsbewältigung keine Spur.
Bonussysteme für Führungskräfte und Vorstände sind Systeme aus dem Kindergarten. Wenn ich mein Zimmer aufräumen soll, dann will ich einen Bonbon. Welcher Manager verweigert seine Leistung, wenn er keinen Bonus erhält? Hat er keine Lust an erfolgreicher Arbeit? Verzichtet der Stürmer im Fußballspiel auf den Torschuss, wenn er keinen Bonus erhält? Ein gutes oder auch hohes Gehalt ist die richtige Antwort auf gute Leistungen. Und bei langjährig guter Leistung kann das Gehalt auch kräftig erhöht werden. Auch pauschal am Unternehmensergebnis orientierte Zahlungen für alle Mitarbeiter des Unternehmens sind eine gute Möglichkeit der Anerkennung. Motivation hat sehr zu tun mit der Aufgabe und der Verantwortung. Vor allem aber mit der Möglichkeit, erfolgreich arbeiten zu können. Gehälter können dann ein Teil der Anerkennung sein.