Normenkontrollrat: überflüssig
Artikel vom 18.03.2007Normenkontrollrat: eine überflüssige Bürokratie
Mit dem „Gesetz zur Einrichtung eines Normenkontrollrates“ orientierte sich die Bundesregierung an einem Beispiel aus den Niederlanden. Der Rat soll die „Bundesregierung dabei unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten mittels Anwendung einer standardisierten Bürokratiekostenmessung auf Grundlage des Standardkosten-Modells zu reduzieren“. Als Bürokratiekosten im Sinne dieses Gesetzes werden nur Informationspflichten von natürlichen Personen und Unternehmen angesehen, die diese aufgrund von (Bundes-)Gesetzen und Verwaltungsvorschriften gegenüber Behörden etc. zu erfüllen haben. Damit hat der Gesetzgeber ein winziges Segment aus der Gesamtheit der bürokratischen Vorgänge ausgewählt. Dosenpfand, Elektronikschrott-Rückgabepflicht, Hartz IV oder das Gleichbehandlungsgesetz sind dagegen keine relevanten Bürokratiekostenverursacher, weil mit ihnen keine Berichts- und Dokumentationspflichten verbunden sind.
Die Regierung macht sich und den Bürgern etwas vor, wenn sie annimmt, dadurch könnte pro Jahr eine Kostenentlastung in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro erreicht werden.
Der Normenkontrollrat soll einem Staatssekretärsausschuss zuarbeiten. Der Rat besteht aus acht Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Ein inzwischen erarbeitetes „Methodenhandbuch“ soll die Bürokratiekostenmessungen in den Ministerien unterstützen. Also erst wird einige Monate gemessen, dann soll über Maßnahmen nachgedacht werden. Offenbar hat die Regierung die Vorstellung, dass man allein mit der Abbildung der Abläufe in Zahlen der Lösung näher kommt. Hohe Kosten sind aber kein Beweis für ein Zuviel an Bürokratie und niedrige Kosten kein Hinweis auf eine akzeptable Bürokratie. Es kommt allein darauf an, welchen Sinn und Zweck ein Vorhaben hat. Wenn eine Aufgabe notwendig ist, dann muss sie angepackt werden – unabhängig von den Kosten. Die Kostenberechnung ist ein völlig überflüssiger Schritt, der die Sache nur noch komplizierter macht.
In den Ministerien wird zur Umsetzung des Programms natürlich Unterstützung benötigt. Dafür werden dort Arbeitseinheiten, so genannte Satelliten, eingerichtet. Im Wirtschaftsministerium gibt es eine Unterabteilung Bürokratieabbau, im Innenministerium gibt es auf Referatsebene eine Geschäftsstelle, die die Anstrengungen der Bundesministerien koordinieren soll. Vier Planstellen bekommt das Kanzleramt für seine Geschäftsstelle. Diese Beamten bilden die Verbindungsposten des Staatssekretärsausschusses ins Kanzleramt und unterstehen Staatsministerin Müller. Der Normenkontrollrat wird von einem eigenen Sekretariat im Kanzleramt betreut. Die gesamte Einrichtung, ihre Strukturorganisation und ihre Regeln sind Ausdruck dessen, was sie in Wahrheit sind: die pure Bürokratie, Teil des Problems und nicht der Lösung.
Was unseren Regierungen und Politikern fehlt, ist eine Kultur des gesunden Menschenverstandes. Eine an diesem Prinzip ausgerichtete Regierungskultur würde ein Bewusstsein dafür schaffen, was gut und was schlecht ist in der Führung des Staates, damit die Vorhaben funktionieren und effizient sind, also die beabsichtigten Wirkungen zeigen. Den Kabinettsmitgliedern muss in Fleisch und Blut übergehen, dass auf zu viele, auf zweifelhafte und überkomplizierte Gesetzesvorhaben verzichtet werden muss. Erreicht werden kann dies durch beispielhaftes Vormachen.
Monatlich müssten sich die Kabinettssitzungen mindestens einmal folgendem Tagesordnungspunkt widmen: „Vorschläge der Minister zur Reduzierung vorhandener Bürokratie – Streichung und Vereinfachung von Gesetzen und Verordnungen“. Dafür müssen weder Bürokratiekosten gerechnet werden, noch muss ein Normenkontrollrat tätig werden. Die Minister treten in einen sportlichen Wettbewerb ein um die „Krone des besten Bürokratieverringerers“. Pro Quartal müsste es ein Ranking der Minister nach der Verringerung von Bürokratie in ihrem Ressort geben.
Mit dem Verzicht auf Berechnung von Bürokratiekosten eines Gesetzesvorhabens kann man Zeit, Geld und Mühe sparen. Man muss auch nicht nach „in Deutschland fehlenden Methode(n) zur zuverlässigen Erfassung der Bürokratiekosten“ suchen, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Im Zentrum steht ganz einfach die Frage, ob die Gesetze sinnvoll und zweckmäßig sind. Die Regierung könnte beispielsweise von Toyota lernen und vor Einführung eines neuen Gesetzes fünf Mal „Warum“ fragen. Man kann also andere Wege beschreiten als die bisherigen „Bürokratieabbauer“.