Duisburger Zoo: komplex und nun auch ignorant und frech
Artikel vom 12.08.2005Unter dem Thema „Überall Komplexität – nirgendwo Einfachheit„ habe ich in meinem Buch ≥Einfach managen„ über ein Beispiel aus dem Duisburger Zoo berichtet. Hier folgt das Beispiel zur Komplexität der Preispolitik im Duisburger Zoo unter der Abschnittsüberschrift ≥Im Duisburger Zoo machen die Affen die Preise„. Im Anschluss daran der Brief von Josef Goerigk, der das Beispiel gelesen hatte und daraufhin den Zoodirektor anschrieb.
Im Duisburger Zoo machen die Affen die Preise
Die Preispolitiker des Duisburger Zoos haben die Komplexität in ihre Preispolitik eingebaut.
Preisliste gültig ab 1.1.2000 in DM:
Erwachsene
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14,00
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Kinder (3-13 J.)
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8,00
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Familienkarte I1 Elternteil mit eigenen Kindern
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22,00
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Familienkarte IIEltern mit eigenen Kindern
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36,00
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Gruppen über 20 PersonenErwachsene / Kinder
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11,00/7,00
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Im folgenden wird beispielhaft die Wirkung der Preisliste auf die Geldbörse verschieden zusammen gesetzter Besuchergruppen untersucht. Am konkreten Beispiel erkennt man so plötzlich Sinn oder Unsinn einer solchen Preisliste. Mit der komplexen Gestaltung, nämlich den Familienkarten, wollte man offenbar irgend etwas optimieren oder perfektionieren.
Varianten von Besuchergruppen:
Nur Grundtarif |
Familienkarte I oder II |
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Mutter + 1 Kind |
22,00 |
22,00 |
Mutter + Vater + Kind |
36,00 |
36,00 |
Mutter + 1 Kind + 1 Nachbarskind |
30,00 |
30,00 |
Mutter + Vater + Kind + 1 Nachbarskind |
44,00 |
44,00 |
Erst dann und praktisch nur dann, wenn ein oder zwei Elternteile mit mindestens zwei eigenen Kindern in den Duisburger Zoo gehen, macht der Komplextarif für die Besucher Sinn. Ein Opa mit zwei Enkeln (Enkel sind ja keine eigenen Kinder) hätte also Pech. Er muss 30,– DM zahlen und hätte keine Vergünstigung. Allerdings hätte er sich mit 19 weiteren Besuchern zusammenrotten können, um eine Gruppe über 20 Personen zu bilden. Dann hätte er für sich 3,– und für die beiden Enkel je 1,– gespart.
Ein durchdachter Sinn, ein klares Ziel ist in dieser komplexen Regelung nicht erkennbar, weder ein „gerechtes“ noch ein „soziales“ Ziel. Auch betriebswirtschaftliche Erkenntnisse werden missachtet. Danach müsste die Preispolitik so gestaltet sein, dass möglichst viele Besucher kommen, weil die Grenzkosten jedes weiteren Besuchers gleich 0 wären. Die einfachste Regelung könnte sein:
Einheitspreis für alle DM 8,00
Dann könnte beim Kartenverkauf sogar noch auf die Alterskontrolle von Kindern bis 13 Jahre verzichtet werden und darauf, ob es sich um eigene Kinder handelt. Wie herrlich einfach! Die Preispolitik des Duisburger Zoos dagegen zeigt den Versuch wissenschaftlicher Optimierung oder einfach Ignoranz.
Der Brief von Leser Josef Goerigk:
Sehr geehrter Herr Brandes,
in Ihrem Buch „Konsequent einfach“ machen im Zoo Duisburg die Affen die Preise. Ich habe den Zoo einmal daraufhin angeschrieben, ob die Verantwortlichen die Preisstaffeln mal überdenken sollten.
Ich sage nur: kein Kommentar!
Die Antwort des Zoodirektors:
Auch ich wünsche Ihnen einen guten Tage, Herr Goerig!
Trotz der hohen Kunst der Vereinfachung von Preisen seitens Herrn Brandes ist der Aldi Konzern noch immer nicht dazu übergegangen für seine Waren einen Einheitspreis zu verlangen. Die Abfertigung der Kundschaft an den Kassen würde sicherlich rasant sein!
Mit freundlichen Grüssen!
Dipl.-Biol. Reinhard Frese – Zool.-Techn. Direktor – www.zoo-duisburg.de
Schlussfolgerung:
Der Zoodirektor hat nicht verstanden. Und immer wieder ist festzustellen: Kritik abwehren, nicht zuhören, nicht lernen. Und nun Ignoranz, gepaart mit Frechheit gegenüber einem möglichen Kunden, aber immerhin Interessierten, Josef Goerigk. Dabei braucht man zum Verstehen nur den gesunden Menschenverstand und kein betriebswirtschaftliches Studium. Auch ein Biologiestudium ist überhaupt nicht hinderlich. Aber ich bin dem Duisburger Zoo doch dankbar, weil dieses Beispiel in meinen Vorträgen zu große Heiterkeit führt.