Maut: Marktwirtschaft – ein Fremdwort für den Verkehrsminister
Artikel vom 02.01.2005Mit der Erteilung der vorläufigen Betriebserlaubnis für das Toll Collect Konsortium am 15.12.2004 verbindet Bundesverkehrsminister Stolpe eine „Warnung an die Wirtschaft vor ≥ungerechtfertigten Preiserhöhungen“, an anderer Stelle (Die Welt vom 20.12.2005) warnt er die Unternehmer, die LKW-Maut über Preiserhöhungen an den Verbraucher weiterzugeben.
Manfred Stolpe hat noch nicht verstanden, wie Wirtschaft funktioniert
- Wer ist die Wirtschaft, wer sind die Unternehmer? Wirtschaft ist eine anonyme Masse von Millionen Akteuren: Darunter der Staat, Volkswagen, Deutsche Bank, der kleine Bioladen, Ikea, die kommunale Stadtentwässerung und viele Millionen Verbraucher. Die Wirtschaft kann nicht angesprochen werden, nicht organisiert und für nichts verantwortlich gemacht werden.
- Stolpe warnt die Wirtschaft. Warnung ist ein Hinweis auf drohende Gefahren. Welche mögen das sein? Wird der Bundesverkehrsminister mit Sanktionen, mit Strafen oder irgendwelchen Konsequenzen agieren, die er nun drohend ankündigt? Das scheint wirklichkeitsfremd. Es ist so daher gesagt.
- Wie können Preiserhöhungen aufgrund der Maut überhaupt entstehen, gleichgültig ob gerechtfertigt oder ungerechtfertigt? Mautgebühren erhöhen die Kosten der Logistik. Stolpe selbst erwartet Mehreinnahmen von über 3,0 Milliarden Euro, die auf der anderen Seite doch Kosten verursachen.Entweder die Spediteure schlucken die Kosten und verringern ihre Gewinne, oder sie versuchen, diese Kosten voll oder teilweise ihren Kunden in Rechnung zu stellen, indem sie ihre Preise erhöhen.
- Preisverhandlungen zwischen Lieferanten und Kunden sind eine permanente selbstverständliche Aufgabe unternehmerischer Arbeit. Jeder Kunde wird mit seinem Spediteur hart verhandeln, um Preiserhöhungen zu vermeiden oder zu begrenzen. Dabei wird jeder Kunde, der mit Leistungen des Transportgewerbes zu tun hat, selbstverständlich zur Kenntnis nehmen, dass sich die Kosten für seinen Lieferanten durch Mautgebühren erhöht haben können. Es kann sein, dass er deshalb Preiserhöhungen akzeptiert. Es kann auch sein, dass er Preiserhöhungen nicht akzeptiert, weil es immer weitere Komponenten gibt, die bei Preisverhandlungen eine Rolle spielen können.
- Schlussfolgerung: Angebot und Nachfrage der am Wirtschaftsverkehr beteiligten Wirtschaftssubjekte regeln die Dinge. Die Beteiligten handeln das unter sich aus, und zwar ohne jegliche staatliche Hilfe. Das ist das Wesen der Marktwirtschaft. So einfach ist das. Niemand möge das verbinden mit Kategorien unmoralischen Machtverhaltens im Wirtschaftsgeschehen, denn diese durch flankierende Gesetze abgesicherte Marktwirtschaft kann sich durchaus höchst tugendhaft verhalten. Drohungen und Warnungen der Stolpeschen Art sind nichts weiter als heiße Luft und überflüssiges Gerede aus einer Position der Verantwortungslosigkeit. Eine solche naive Vorstellungswelt von Regierungsmitgliedern eines bedeutenden Industrielandes ist nicht ungefährlich. Hans-Werner Sinn mit seiner Frage ≥Ist Deutschland noch zu retten?„ lässt grüßen.
- Manche werden dem Verkehrsminister inzwischen einiges über marktwirtschaftlichen Zusammenhänge erklärt haben, denn in einem späteren Interview mit Martin Lutz und Stefan von Borstel ebenfalls in Die Welt sagt Stolpe: ≥Doch selbst, wenn eine Überwälzung der Maut gelingt, ist eine Steigerung der Verbraucherkosten nur um 0,15 Prozent gerechtfertigt. Das Gerede von einem Teuerungsschub von 17 Prozent ist maßlos übertrieben. Das ist schon der erste Versuch, unter dem Vorwand der Maut Preiserhöhungen durchzusetzen. Hier müssen wir, aber auch die Verbraucherverbände, sehr aufpassen, um einen Missbrauch der Maut zu verhindern.„ Wiederum wurde einiges missverstanden: 0,15 oder 17 Prozent wird eine Sache von Durchschnitten und von Einzelfällen sein. Aufpassen werden die professionellen Marktteilnehmer, die betroffenen Unternehmer. Da ist das Wort vom Missbrauch völlig deplaziert. Der Minister selbst kann zudem weder aufpassen, weil er die Preisverhandlungen nicht miterleben wird, noch hat er eine Möglichkeit einzuschreiten. Gleiches gilt für Verbraucherverbände
- Es ist schade, dass das Verständnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen so unterentwickelt ist.