Autonomie und wenig Regeln
Artikel vom 31.03.2002Zwei Beispiele sollen zeigen, wie Autonomie wirkt:
Erkenntnisse an der U.S. Militärakademie
Die Wirtschaftswoche berichtet am 28.2.2002, dass bei US-Managern militärische Führungsprinzipien groß in Mode kommen. Eine wesentliche Schlussfolgerung der amerikanischen Offiziere, die in der U.S. Military Academy West Point und an der Harvard University unterrichten, lautet:
„Der beste Weg, mit komplexen, chaotischen Situationen umzugehen, ist so wenig spezifische Anordnungen wie möglich zu geben. Es genügen die Zielvorgabe und die Parameter, in denen das Ziel zu erreichen ist. Selbst in Situationen, die nicht vorhersehbar sind, muss ein guter Führer darauf vertrauen können, dass seine Leute in der Hitze des Gefechts das Richtige tun.“
An der Militärakademie stellt Lieutenant Cornel Scott Snook den Kadetten eine Aufgabe, die das deutlich machte. Die Kadetten sollten ein Führungskonzept für die Gestaltung einer siebenminütigen Schulpause an einer Grundschule erstellen. Die Studenten erarbeiteten ein detailliertes Programm. Zuerst Ball spielen, dann schaukeln und mehr.
Daraufhin lässt Snook die Studenten beobachten, was tatsächlich in der Pause einer solchen Schule geschieht. Die Schüler stürmen auf den Hof. Es herrscht Chaos. Doch dann entwickelt sich wie von selbst eine Ordnung.
Kommentar zur Pisa-Studie:
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.2.2002 zitiert den stellvertretenden Leiter der OECD-Bildungszentrale in Paris:
„Finnland überlässt die Ausgestaltung der Lehrpläne im Detail den Schulen. Nur Bildungsziele sind festgelegt. Die Schulen haben u.a. die Entscheidungsfreiheit über Stundenverteilung, und Lernumgebung. Die geringste Eigenständigkeit haben die Schulen in Deutschland und Italien.“
Nimmt man an, dass die Lehrer ihren Job verstehen, so könnte jedes Bundesland einfach seine Bildungsziele festlegen. Ein Qualitätswettbewerb könnte beginnen. Die Leistungen der Schüler könnten miteinander verglichen und bewertet werden. Die einzelnen Länder könnten sich ihre Benchmarks suchen, sie könnten in einen Erfahrungsaustausch eintreten und sich nach dem Prinzip des Kaizen permanent in kleinen Schritten verbessern.
Schlussfolgerung:
Die Beispielen zeigen, dass man mit wenig detaillierten Regeln auskommen kann. Die Absicht, gute Ergebnisse zu erzielen, führt sehr leicht zu Reglementierungen und zu zentralen Anweisungen. Das Ergebnis ist Perfektion. Das ist einer der großen Komplexitätstreiber. Hinzu kommt die Einschränkung von Freiheit. In fast allen Unternehmen wird nach wasserdichten und perfekten Lösungen gesucht. Die werden Stabsstellen für Organisation und Marketing erarbeitet. Den wirklich Handelnden und Verantwortlichen fehlt oft das Vertrauen und die Autonomie. Auch der Staat arbeitet so mit seinen detaillierten Gesetzen und vielen Ausführungsbestimmungen. Die intelligente Lösung verlangt nur:
Eine sorgfältige Klärung und konkrete Beschreibung von Sinn und Ziel.
Die Aufstellung von Rahmenregeln, die unbedingt einzuhalten sind.
Die Gewährung von Freiheit, also Autonomie und Vertrauen zur Ausführung.
Dieser Weg ist der Weg der Einfachheit. Ein Weg, der Komplexitäten vermeidet oder verringert. Es ist der Weg, der verantwortungsbewussten und gut ausgebildeten Menschen Entscheidungsfreiheiten gewährt. Dazu gehört, ihnen Verantwortung für die Ergebnisse und Vertrauen zu übertragen. Die Einhaltung der Rahmenregeln muss kontrolliert werden, die Ergebnisse werden registriert. In Dialogen mit und unter den Beteiligten werden Erfahrungen ausgetauscht, mit denen sich jeder nach eigenen Entscheidungen in seinem autonomen Bereich verbessern kann.